22.01.2024


Überzeugende Ergebnisse – Interview mit unserem KlimaPartner-Landwirt Heinrich Esser


Wir haben Heinrich Esser gefragt, wie er das erste Jahr als Klimalandwirt erlebt hat – und was er nun anders macht.

Wie lief die erste Saison 2022/23 auf der Weizenversuchsparzelle von „KlimaPartner Landwirtschaft“?

Wir hatten mit Ende Oktober passend ausgesät und es gab keine Auswinterungsverluste. Im Frühjahr bis in den Mai hatten wir dann fast schon zu viele Niederschläge, mit einem entsprechend tendenziell höheren Krankheitsdruck. Und dann kam die lange Trockenheit, wo der Boden bis zu 90 cm aufgerissen ist und wir uns schon so einige Gedanken um den Ertrag gemacht haben. Aber am Versuchsstandort ist der Boden zum Glück schwerer und dadurch hält dieser die Feuchtigkeit lange. Und die Niederschläge ab Mitte bis Ende Juli kamen gerade nochmal zur richtigen Zeit, sodass sich der Weizenbestand bis zur Ernte dann ganz gut entwickelt hat. Das konnte man auch an den sehr zufriedenstellenden Erträgen sehen, auch wenn durch die Trockenheit die letzten paar Prozent vielleicht verloren gegangen sind. Alles in allem war ich als Landwirt mit der Fläche als Ganzes sehr zufrieden.

Konnte man mit bloßem Auge Unterschiede in den verschiedenen Streifenvarianten erkennen?

Die Nullparzelle, wo wir zwar ganz normal gedüngt, aber keine Fungizide oder Wachstumsregler ausgebracht haben, konnte man ganz deutlich erkennen. Die einzelnen Versuchsparzellen aber haben sich zunächst optisch nur wenig voneinander unterschieden. Erst zur Ernte wurden die Unterschiede dann deutlich.

Als die Versuchsauswertung kam, waren die Ergebnisse unerwartet?

Ja, ich war sehr positiv überrascht, dass die Erträge im Versuch doch so hoch waren. Wir kannten ja bereits den Durchschnittsertrag der restlichen Versuchsparzelle, also der Variante, die unsere betriebsübliche Referenz war – und der war schon wirklich gut. Aber der Ertrag auf den Versuchsflächen war dann doch noch eine ganze Ecke höher.

Und was den CO₂-Fußabdruck angeht?

Ich bin davon ausgegangen, dass der sich schon allein wegen des Einsatzes von stabilisierten Düngern verbessert, weil wir dadurch eine Überfahrt sparen konnten. Zudem wirkt sich ein höherer Ertrag positiv auf den CO₂-Fußabdruck aus, da die CO₂-Emissionen ja auf die Tonne Ernteertrag gerechnet werden. Mir war also schon klar, dass der CO₂-Fußabdruck bei den Versuchsvarianten besser sein würde. Aber dass es dann doch so viel besser wird, das hätte ich vorher nicht erwartet.

Das Projekt basiert auf den digitalen Empfehlungen von Xarvio. Inwiefern haben diese sich von den betriebsüblichen Maßnahmen unterschieden?

Die Empfehlungen habe ich immer noch einmal mit einem Pflanzenbauberater von der RWZ und/oder der BASF abgesprochen, ob das denn alles stimmt, was das Tool so ausspuckt. Die Empfehlungen passen auf jeden Fall, aber ohne das Tool hätte bzw. habe ich mich für die betriebsübliche Versuchsvariante teilweise anders und auch für einen etwas anderen Zeitpunkt der Maßnahmen entschieden. Was nämlich richtig praktisch ist, dass mir das Tool anhand von Wetterdaten direkt den idealen Zeitraum für einen passenden Spritz- oder Düngetermin angibt.

Also zum Beispiel „Spritze dieses oder jenes Produkt morgen zwischen 9 und 11 Uhr“?

Genau, dann ist der Wind optimal, die Temperatur vielleicht noch nicht so hoch und so weiter. Mit solchen Empfehlungen kann man sehr gut arbeiten. Vor allem, wenn mehrere Schläge verteilt liegen, sind die Wetterdaten wichtig, damit man zum idealen Zeitpunkt
spritzen und den höchsten Wirkungsgrad erzielen kann. Wenn es zu warm oder zu kalt, die Luftfeuchtigkeit zu hoch oder zu niedrig ist, dann ist die Wirkung eingeschränkt. Bei Wind ebenfalls, wenn der Wirkstoff zu sehr abdriftet und gar nicht dort ankommt, wo er hinsoll. Ich denke schon, dass diese praktischen Empfehlungen gerade bezüglich optimaler Witterung zukünftig immer entscheidender werden, um die letzten paar Prozentpunkte hinsichtlich der Wirksamkeit der Pflanzenschutzmittel „herauszukitzeln“.

Wo lagen denn die Unterschiede zwischen dem betriebsüblichen Vorgehen und der digitalen Empfehlung?

Mit stabilisierten Düngern habe ich bisher noch nie gearbeitet. Da war ich auch ein bisschen skeptisch, ob das alles reicht. Wir hatten mit der ersten Düngung direkt zwei Düngegaben zusammengefasst und das war für mich neu. Mich hat es dann doch positiv überrascht, dass das so gut klappt. Sogar so gut, dass ich das auch mal in anderen Kulturen ausprobieren will.

Die Erfahrungen aus „KlimaPartner Landwirtschaft“ fließen also in die betriebliche Praxis ein?

Ja, genau. Xarvio habe ich in anderen Getreidekulturen direkt mitgenutzt und habe mich darauf auch komplett verlassen. Und ich werde das auch im nächsten Jahr so fortführen – und das vielleicht bei Kartoffeln mal ausprobieren. Es macht einfach total viel Sinn, Betriebsmittel möglichst effizient einzusetzen und mit möglichst wenig Einsatz einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. So sind auch die CO₂-Emissionen pro Tonne Ernteertrag am geringsten.

Gibt es noch mehr neue Erkenntnisse aus dem ersten Jahr als Klimalandwirt?

Das digitale Tool AgBalance rechnet einem aus, wie viel CO₂-Äquivalent durch was und wo zum CO₂-Fußabdruck beim Weizenanbau hinzukommt. Davon hatte ich vorher so gar keine Vorstellung. Das war schon interessant, damit zu arbeiten und dann auch die Zusammenhänge zu sehen, was in welcher Höhe den Fußabdruck beeinflusst. Die Feldemissionen, also die Bodenveratmung und Ausgasung, machen zum Beispiel viel aus. Saatgut und Spritzmittel wiederum weniger als man denkt. Aber die Düngung schlägt ordentlich zu Buche. Spannend war es zu sehen, wie man das dann auch beeinflussen kann.

Und wie geht es auf Essers Bauernhof mit „KlimaPartner Landwirtschaft“ weiter?

Erstmalig haben wir jetzt Braugerste mit zwei verschiedenen Beizen für den Versuch ausgesät. Wir haben die Sommerbraugerste Leandra im November als Winterung gedrillt, damit die Pflanzen eine längere Vegetationszeit haben und die Winterfeuchte mit
ausnutzen können. Leandra ist relativ winterhart, das sollte bei uns im wintermilden Rheinland funktionieren. Ansonsten bin ich ein Braugersten-Anfänger, die hatten wir bisher noch nicht im Anbau und ich bin mal gespannt, wie das läuft.

Wie sieht denn der betriebsübliche Standard bei einem Braugersten-Neuling aus?

Ich hole mir irgendwo anders eine der gängigen Empfehlungen ein und setze die dann in der betriebsüblichen Vergleichsvariante um.

Und der neue Weizenversuch?

Den Weizenversuch haben wir, was die Anzahl der verschiedenen Varianten angeht, ein bisschen abgespeckt, da wir ja bereits viele Erkenntnisse gesammelt haben. Am liebsten würde ich natürlich alle meine Flächen jetzt schon mit Hilfe des digitalen Tools optimiert bzw. klimaoptimiert bewirtschaften, weil mich das wirklich überzeugt hat. Aber im Sinne der Wissenschaft muss ich mich zurückhalten und werde bei den betriebsüblichen Vergleichsflächen im Versuch so tun, als hätte ich letztes Jahr nichts dazugelernt und da weiter so machen, wie bisher. Alle anderen Getreideflächen bewirtschafte ich allerdings jetzt klimaoptimiert.